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Zunft Historik

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Das mittelalterliche Zunftwesen

Bereits bei antiken Völkern sind Handwerksgemeinschaften bekannt gewesen, aber eine dauerhafte, feste Form hat sich erst nach der Jahrtausendwende herausgebildet. Die Existenz der Zünfte ist ohne den Aufbau und die Entwicklung des Städtewesens nicht denkbar. 

Die zahlreichen Stadtgründungen konnten nur überleben, wenn sie Menschen anzuziehen vermochten und sich in ihnen Handel und Gewerbe ausbreiteten. Der Güteraustausch erfolgte auf dem Markt und erlaubte unter anderem den Bauern, ihre Produkte in der Stadt feilzubieten und zu verkaufen. Als Gegenwert erwarben sich die Bauern Gegenstände, die aus städtischer Handwerksarbeit entstanden waren.

Das mittelalterliche Zunftwesen

«Gilde, Innung und Zuft»

Der Aufschwung der Städte liess deren Bevölkerungszahl ansteigen, und es war normal, dass in einer Stadt auch mehrere Handwerker der gleichen Sparte wirkten und lebten. Doch erwies es sich als vorteilhaft, untereinander Absprachen zu treffen, um Probleme nicht aufkommen zu lassen oder Schwierigkeiten zu meistern. Zwangsläufig ergab sich mit der Zeit ein Zusammenschluss von Handwerkern der gleichen Berufsrichtung. Wenn auch die Begriffe «Gilde», «Innung» und «Zunft» sich differenzieren lassen, so bezeichnen letzlich alle eine Form der Handwerksgemeinschaft. Eine Zuft wolle jedoch mehr sein als eine kurzlebige Interessengemeinschaft, was sich darin zeigte, dass man nicht nur gemeinsame Ziele anstrepte, sondern auch gleiche Lebensformen, Berufsrituale und soziale Vorstellungen entwickelte. 

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Die Gemeinschaften in einer «Zunft»

Man versteht unter einer Zunft die ursprüngliche Organisation des Handels in der Vereinigung von Meistern der gleichen oder von nahe verwandten Berufen mit rechtlichen Befugnissen zur Wahrung und Förderung ihrer Interessen und zu Pflege der Geselligkeit und der Wohlfahrt ihrer Mitglieder. Eine «Zunft» bildete eine grosse, künstliche Familie, zu der auch die Frauen, die Witwen der Meister und die Kinder gehörten. In ihr erlebte man Freud und Leid. Die Zunft sorgte für ihre Mitglieder, indem sie ein eigenes soziales Auffangnetz aufbaute. Manche Zunft unterhielt eine Kranken- und Sterbekasse, nicht wenige beschäftigten eigene Ärzte und besassen ein eigenes Zunftspital. Hilfe wurde auch den Hinterbliebenen der Meister zuteil, die Zunft kam für den Lebensunterhlat der Witwen auf und kümmerte sich um Erziehung und Ausbildung der Kinder. Meistern, die in Not geraten waren, wurde geholfen. 

Die Ehrenhaftigkeit und der «goldene Boden»

Ein Zünftler hatte das Ideal der Ehrenhaftigkeit zu erfüllen, und zwar sowohl im Beruf wie im Privatleben. Die Zünfte entwickelten mit der Zeit eigene Verhaltensnormen, denen ihre Mitglieder bei Strafe unterworfen waren. Grosse Bedeutung kam dem Zunftritus zu, durch den sich die Zünfter untereinander verständigten und der für den Zunftstand eines jeden Ortes verbindlich war. «Handwerk hat goldenen Boden». Dieses bis in die Gegenwart bekannte Sprichwort vermittelt den Eindruck einer heilen Welt des mittelalterlichen Handwerkers. Wer schon alte Zunftviertel, etwa in Brüssel oder in deutschen Städten, bestaunt hat, wird an die Wahrheit dieser Aussage glauben. Neuere Untersuchungen korrigieren das Bild von überfliessendem Reichtum der Zünfte. 

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Die Ehrenhaftigkeit
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Bescheidene Verhältnisse

Otto Borst, ein deutscher Historiker, ging in seiner 1983 erschienenen Darstellung «Alltagsleben im Mittelalter» auf die zitierte Volksweisheit «Handwerk hat goldenen Boden» ein und weist darauf hin, dass darin die landläufige Meinung zum Ausdruck kommt, jeder Meister könne aus seinem Schicksal das Beste machen, also auch zu Reichtum gelangen. Nüchern zieht er die Bilanz: «Zunächst wird festzustellen sein, dass in den mittelalterlichen Handwerksstuben sich selten oder nie so etwas wie atemberaubender Reichtum angesammelt hat; das waren bescheidene Verhältnisse uns sind es geblieben». Reichtum war dagegen über den Handel zu erzielen.

Die Idyllenhaftigkeit des Zunftlebens

Eine gewisse Idyllenhaftigkeit des Zunftlebens kann nich geleugnet werden. Zwischen Privat- und Berufsleben herrschte eine gesunde Einheit, die Tätigkeit des Handwerkers spielte sich in seinem Haus ab, das gleichzeitig Wohn- und Arbeitsräume aufwies. Ein Handwerkmeister, der sorgfältig und zuverlässig arbeitete, konnte sich uns seine Familie, zwei bis drei Gesellen und einen Lehrling ernähren. Die auch in der Zuger Schreinerzunft geübte Beschränkung der Arbeitskräfte eines Meisters besass auch einen ökonomischen Hintergrund. Schliesslich darf nicht übersehen werden, dass dem Mittelalter eine andere Lebenseinstellung eigen war, als sie in unserer Zeit anzutreffen ist.

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Die Idyllenhaftigkeit
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Sicherheit um zu leben

Die damalige Devise lautete: Sicherheit. Ziel des Wirtschaftens war es, zu leben. Schon diesem Ideal nachzueifern, wurde mitunter schwierig, denn auch unter den Zünften war die Armut nicht unbekannt. Der Arbeitszweck, sich nur das zu erwirtschaften, was man notwendig braucht, ist auch in enge Beziehung zm Religionsverständnis des mittelalterlichen Menschen zu setzen, denn Wirtschaft durfte nicht Selbstzweck sein, sondern war dem Gebot der Gerechtigkeit und der sozialen Ordnung unterstellt. Geld war als Zahlungsmittel nicht allgemein verbreitet, die Zahlung in Naturalien durchaus nicht ungewöhnlich. Ein Markt über die Stadtgrenzen hinauszuziehen, erwies sich sozusagen als unmöglich. Hier gebot nicht nur die Grenzen der Personalkapazität und des Produktionsaufkommens Halt, sondern auch die auf den Strassen herrschenden Unsicherheiten vor Räubern und Wegelagerern dämpfte solche Hoffnungen.

Gründungsbrief vom
29. September 1585

Die mittelalterlichen Zünfte verfolgten zwei Prinzipien: Zusammenschluss der Gleichgesinnten und Abwehr der Fremden und Nichtzünftigen. Sprechenden Ausdruck fand diese Haltung im Zunftzwang. Offiziellen und offentlichen Charakter erhielten die Zünfte in Form der Anerkennung durch die Stadtbehörden verliehen. Für die Zuger Schreinerzunft ist dies durch den Gründungsbrief vom 29. September 1585 verbürgt.

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Gründungsbrief 1585

Quellenverzeichnis: Buch «Die Zunft der Schreiner, Drechsler und Küfer der Stadt Zug 1585 - 1985 von Christian Raschle, 1985

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